Die Kraft der Phantasiereisen
Phantasiereisen sind angeleitete Entspannungsübungen. Die Phantasiereisen sind extra so geschrieben, dass die eigene Vorstellungskraft verwendet und mit der angeleiteten Geschichte verknüpft wird. Eigene Erfahrungen, Bilder, Symboliken, Gefühle, Gedanken werden angeregt, bzw. erinnert und mit der Phantasiereise verknüpft.Sie kommen im besten Fall in Kontakt mit sich selbst. Durch die auftauchenden Bilder, Gefühle, Symboliken etc. können sich neue Sichtweisen erschließen. Neue Erkenntnisse einer Situation können erfahren werden. Ein noch nicht abgeschlossenes Thema kann bearbeitet werden.
Es ist dabei möglich Themen zu bearbeiten, die gerade jetzt in einer Sackgasse stecken. Die Phantasiereisen öffnen oftmals durch das Fließen lassen einer Situation, neue Perspektiven bzw. neue Lösungswege.
Auch ist es möglich für Sie schwierige Alltagssituationen via Phantasiereise einzuüben. Die problematische Situation wird zunächst als Phantasiereise erfahren und danach erst als konkrete Situation umgesetzt.
Eine sehr wichtige Anwendung der Phantasiereisen ist die dabei herbeigeführte Entspannung. Das Nervensystem, die Muskulatur entspannt sich, Sie werden ruhiger und gelassener. Im Grunde träumen Sie im Wachzustand und genießen einen Ausflug in eine wunderbare Welt des „Ichs“.
Wie funktionieren Phantasiereisen?
Phantasiereisen sind imaginäre Erlebnissreisen von 15 bis 60 Minuten Dauer. In dieser Zeit erleben Sie (ganz ähnlich wie zum Beispiel beim Autogenen Training oder der progressiven Muskelentspannung nach Jacobsen) einen tiefen Entspannungszustand, Der tiefe Entspannungszustand sorgt dafür, dass eine positive Suggestionen – zum Beispiel „Ich lasse alle belastenden Dinge los. Ich fühle mich frei und entspannt“ – sich in Ihrem Bewusstsein verankern und auch nach dem Ende der Reise noch in seinem Inneren fortwirken und durch weitere Wiederholung noch verstärkt werden können.
Phantasiereisen sprechen besonders die „inneren Sinne“ an – vorgestellte Gerüche, Geschmäcker, Tastempfindungen oder Klänge – um das Bewusstsein des Reisenden so intensiv wie möglich ins Geschehen zu versetzen. Die angenehmen Vorstellungsbilder, die in tiefer Entspannung erlebt werden, bewirken Ruhe und Ausgeglichenheit und wirken in vielfältiger Weise auch auf körperliche Funktionen ein.
Die Situationen, die der Phantasiereisende erlebt, lassen seine positiven Eigenschaften erfahren – z.B. Mut, Zuversicht, Selbstvertrauen und innere Stärke. In ihnen kann der Reisende neue konstruktive Verhaltensweisen und gedankliche Konzepte ausprobieren und sein Repertoire an Ideen und Handlungsmöglichkeiten erweitern. Dadurch kommt der Phantasiereisende in Kontakt mit seinen inneren Ressourcen und kann sie verstärkt in den Alltag einbringen, um den Herausforderungen in Beruf und Familie besser gewachsen zu sein. Ebenso können Phantasiereisen Gefühle von Zuversicht, Optimismus, Selbstvertrauen und Glück aktivieren. Sie geben dem Reisenden die Gelegenheit, seine Gedanken und Gefühle in positive Bahnen zu lenken und so seine Selbstheilungskräfte zu mobilisieren, um einen Zustand von seelischer Ausgeglichenheit und körperlichem Wohlbefinden zu erreichen.
Die Neurobiologie, Psychologie und die Ursprünge von Phantasiereisen
Alles, was wir tun oder wahrnehmen, wird von Gehirnaktivitäten begleitet. Jede Bewegung, jeder visuelle Eindruck, jedes Geräusch, jeder Gedanke löst eine Fülle von Erregungsmustern in den Zellennetzwerken des Gehirns aus. Selbst eine vorgestellte Bewegung führt dazu, dass die daran beteiligten Nervenbahnen die entsprechenden Muskeln aktivieren und in Bereitschaft versetzen, um für die Bewegung vorbereitet zu sein.Die Vorstellung eines leckeren Essens kann einem „das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen“, also den Speichelfluss anregen – und die Erinnerung an glückliche oder schmerzhafte Ereignisse führt zur Ausschüttung von Botenstoffen im Gehirn, die die Aktivität von Hormondrüsen beeinflussen. Seelische und körperliche Vorgänge sind untrennbar miteinander verbunden und wirken aufeinander ein. Phantasiereisen machen sich dieses Zusammenspiel von Körper und Seele zunutze, indem sie mit angenehmen Vorstellungsbildern arbeiten und dadurch die Aktivität von Nervenzellen und Organen beeinflussen.
Die noch relativ junge Wissenschaft der Psycho-Neuroimmunologie, die die Zusammenhänge zwischen seelischen Vorgängen und den Funktionen des Immunsystems untersucht, förderte erstaunliche Erkenntnisse zutage: Positive, als angenehm empfundene Vorstellungsbilder regen die Tätigkeit des Immunsystems an und stärken so gegen Infektionskrankheiten und andere Krankheitsprozesse – und Stress, Sorgen oder Zukunftsängste bewirken genau das Gegenteil und machen uns anfällig für Krankheiten. Selbst die Tätigkeit innerer Organe wird durch diese seelischen Vorgänge messbar beeinflusst.
Phantasiereisen entstammen keinem magisch-esoterischen Weltbild, sondern sind auf dem Boden moderner Wissenschaften entstanden, wobei tiefenpsychologische Ansätze wie die von C. G. Jung entwickelte „Aktive Imagination“ oder das „Katathyme Bilderleben“ H. Leuners wichtige Grundlagen formulierten, die im Laufe der Jahre durch zahlreiche neue Sichtweisen und Erfahrungen ergänzt wurden.
Phantasiereisen beruhen auf Erkenntnissen aus der Psychologie, den Neurowissenschaften, die sich mit der Funktionsweise des Nervensystems beschäftigen, fachübergreifenden Ansätzen wie der Psycho-Neuroimmunologie, auf kommunikationstheoretischen und pädagogischen Überlegungen. Dieses interdisziplinäre theoretische Fundament macht es möglich, Phantasiereisen zu entwickeln, die klar definierte Ziele im Hier und Jetzt verfolgen und dem Anwender einen klar erkennbaren praktischen Nutzen bieten.
Für wen sind Phantasiereisen geeignet und wen nicht?
Phantasiereisen dürfen nicht bei akuten Psychosen angewendet werden. Dem psychotisch Erkrankten ist es nicht möglich, zwischen inneren und äußeren Vorgängen und Wahrnehmungen zu unterscheiden, denn seine Einsichtsfähigkeit ist durch die Erkrankung beeinträchtigt. Phantasiereisen dürfen nicht bei Personen mit einer Schizophrenie, einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, Selbstmordgefährdung angewandt werden. Weiterhin ist zu beachten, dass diese Form der Phantasiereisen (imaginative Phantasiereisen) bei Trauernden auch erst nach einem Jahr Trauerzeit angewandt werden sollte. Bitte im Vorfeld mit einem Arzt abklären.
Abgesehen von dieser sehr speziellen psychiatrischen Kontraindikation sind Phantasiereisen für jedermann geeignet, unabhängig von Alter, Geschlecht, Konfession oder Weltanschauung.
Wann und wo können Phantasiereisen nützlich sein?
Die Fähigkeit zur Selbststeuerung ist bei vielen stressgeplagten Menschen ein wunder Punkt. Treten Stressreaktionen oder Angstgefühle auf, haben die meisten Menschen das Gefühl, sie könnten sie nicht beeinflussen. Ihnen ist nicht bewusst, dass sie dieses Geschehen tatsächlich selbst steuern, indem sie sich auf bestimmte angstbesetzte Vorstellungen konzentrieren. Die Erfahrung, dass man seine inneren Bilder tatsächlich kontrollieren und lenken kann, ist für viele Menschen eine Offenbarung. Selbst körperliche Reaktionen, die durch Stress und Nervosität ausgelöst werden, lassen sich durch innere Bilder, bewusstes Atmen und Suggestionen so beeinflussen, dass man sein Stresslevel deutlich reduzieren kann. Diese Fähigkeit zur Selbststeuerung ist wohl eine der wertvollsten Früchte der Arbeit mit Phantasiereisen und gibt den Anwendern wirkungsvolle Werkzeuge in die Hand, um stressige Situationen und Leistungsdruck gelassener zu überstehen.
Chronisch gestresste Menschen reagieren auf die Anregung, sich mehr Entspannung zu gönnen, oft gereizt: „Dazu habe ich gar keine Zeit!“ Ein Argument, das bei Phantasiereisen auf schwachen Füßen steht, denn die dreißig Minuten, die zu einer Phantasiereise notwendig sind, kann jeder erübrigen. Selbst der gestressteste Mensch geht irgendwann ins Bett – und wem es partout nicht gelingt, die Phantasiereise im Tagesablauf unterzubringen, dem steht spätestens hier genügend Zeit zur Verfügung. Dieser Zeitpunkt ist z.B. eine gute Wahl, denn die tiefe Entspannung, die Phantasiereisen erzeugen, ist eine hervorragende Voraussetzung für erholsamen Nachtschlaf.
Doch auch in der Mittagspause oder zur Einstimmung auf den Feierabend eignen sich Phantasiereisen hervorragend, um Stress abzubauen und den Körper in den Entspannungsmodus zu versetzen. Das Wohlgefühl, das Phantasiereisen vermitteln, klingt oft noch lange nach und lässt sich zum Beispiel durch ein entspannendes Vollbad oder eine Massage noch abrunden.
Optimalerweise wird eine Phantasiereise einmal täglich über einen Zeitraum von mehreren Tagen oder – je nach angestrebtem Ziel – Wochen angewendet. Je öfter Sie üben, desto besser beherrscht Sie es. Durch wiederholte Anwendung lernen Sie immer besser, wie man sich entspannt und welche Gedanken ihm im Alltag weiterhelfen können, und die Suggestionen und positiven Vorstellungsbilder haben Zeit, sich in seinem Bewusstsein als Leitsätze für sein Handeln einzuprägen. So schaffen Sie sich bessere Voraussetzungen, Stress auslösende Faktoren von innen oder außen besser zu erfassen, selbstbestimmt zu handeln und gegen Manipulationen des Willens resistenter zu werden – indem Sie sich ihre Motive und Wünsche bewusster werden, ihre Ziele im Einklang mit sich selbst formulieren.